Der »Klosterhof« war kein Klosterhof

Tübinger Straße 7 damals
Tübinger Straße 7 damals (Bildnachweis: Sammlung Wolpert, Gemeindearchiv Kusterdingen)

Von Herbert Raisch

Wer sich mit der Geschichte unserer Dörfer beschäftigt, der weiß, dass es nicht immer leicht ist, Familien und Höfe auseinander zu halten. Es wurde hinüber- und herübergeheiratet, geteilt, gehälftet, gedrittelt, geviertelt, geachtelt, gestritten, vererbt, verkauft und gekauft, abgerissen, angebaut und neu errichtet. So war es auch mit dem Gebäude Tübinger Straße 7 in Kusterdingen, das man neuerdings »Klosterhof« nennt. Heute weiß man, dass das Gebäude nie ein Klosterhof war und dass es zu keiner Zeit dem Kloster Pfullingen gehörte. Dies lässt sich anhand der Quellen nachweisen.

Das 1252 gegründete Klarissenkloster zur hl. Caecilia in Pfullingen wurde in der Reformationszeit aufgehoben. Selbstverständlich hat man die Pfullinger Lagerbücher weitergeführt, auch unter der Spendenpflege und unter der Kameralverwaltung Bebenhausen. Das heutige Anwesen Tübinger Straße 7 (»Haus am Lochbrunnen«) scheint zunächst unbebaut gewesen zu sein. Vor allem die Teilungsakten und die Kaufbücher belegen, dass dort wohl zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Haus mit Scheuer und Waschhaus errichtet wurde. Im Jahr 1721 verkauft dann Jerg Wandel »Behausung, Scheuer und Hofraithe« an Hans-Jerg Lumpp. Vom Kaufpreis her zu schließen, muss der Hof nicht sehr groß gewesen sein. Von Anfang an wird aber immer wieder betont, dass es sich um ein freies, unverpfändetes Gut handelt, das dem Pfarrer einen relativ geringen Zins zahlt.

Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts ging das Hofgut dann durch viele Hände, es wurde immer wieder an- und umgebaut, was sich bis ins Einzelne belegen lässt. Im Jahr 1823 zum Beispiel kaufte der Mähringer Friedrich Riehle von seinem Schwiegervater, dem Hirschwirt Johann Georg Wandel, diesen Hof »in der Ledergass« (damals verlief die Straße anders), und so ist er auch im Primärkataster, der auf Grund des Gesetzes vom 15.7.1821 angelegt wurde, eingetragen. Und Friedrich Riehle verkauft sodann am 20.2.1833 das Gebäude an seinen Wankheimer Schwager Adam Wandel, der noch im Jahr 1833 nach Amerika auswanderte. So wird der Hof von Adam Wandels Wankheimer Erben am 11.11.1833 sogleich wieder verkauft an den Gemeinderat Georg Mozer. Dieser stirbt 1870, so dass sein Schwiegersohn, der Kirchenpfleger Adam Braun, die Gebäude »beim Lochbrunnen« übernimmt. Dieser war der Großvater der beiden letzten Bewohner des Hauses. Die Quellen belegen also, dass das Gebäude Tübinger Straße 7 in Kusterdingen historisch relativ jung ist.

Das Christ'sche Haus und die Scheuer des so genannten »Klosterhofs«
Das Christ’sche Haus und die Scheuer des so genannten »Klosterhofs«
(Bildnachweis: Sammlung Wolpert, Gemeindearchiv Kusterdingen)

Auf Grund der Quellenlage sollte man die Namensgebung überdenken. Der Name »Klosterhof« ist für die authentischen Klosterhöfe besetzt. Man wird ja zum Pfarrhaus auch nicht Kirche sagen. Sollte der Name bleiben, käme dies wohl einer Geschichtsfälschung gleich; das wollte und will niemand.

Allerdings: Auch die guten Absichten, hier ein Bürgerzentrum zu gestalten, rechtfertigen es nicht, historische Fakten zu ignorieren. In weniger als einer Generation wüsste niemand mehr, dass das besagte Gebäude kein Klosterhof war und nie dem Kloster Pfullingen gehörte.

Also: eine Lanze für die historische Wahrheit!

Herbert Raisch